Das „richtige“ Leben im „Falschen“ – oder vom Spannungsfeld der Wissensproduktion zwischen Fabrik und Laboratorium

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Die momentane Protestbewegung fordert folgende Frage geradezu heraus:

Wie (oder wie konsequent) kann mensch kollektiv-selbstverwaltet antidiskriminierende Räume schaffen, wenn es kein richtiges Leben im Falschen gibt?

Plena mit dem Anspruch allen Anwesenden grundsätzlich den selben Raum zur Verfügung zu stellen bil­den eine elementare Grundlage nicht-repräsentativer politischer Praxis. Ob und wie diese Handlungsmaxime zu realisieren ist, kann immer nur im Kollektiv und in der Praxis herausgefunden werden.

Wenn keine klar umrissene Basis präsent ist, können Plena nur schwerlich als basisdemokratische Entscheidungsorgane fungieren. Die Basis muss sich selbst inhaltlich und/oder personell immer wieder neu selbst definieren, um von außen benenn- und erkennbar zu sein. Die Bewegung muss imstande sein ihre Gemeinplätze als solche sichtbar zu machen und zur Sprache zu bringen.  

 

Innerhalb der Bewegung bedeutet Basisdemokratie, Präsenzdemokratie.

 

Die Menschen die anwesend sind, gestalten und bestimmen (mit), wie sich die Bewegung konstituiert und entwickelt. Diese Form der direkten Demokratie kann nicht den Anspruch erheben mehr Menschen als die Anwesenden selbst zurepräsentieren.

Die Verweigerung jeglicher Art der Repräsentation innerhalb der Bewegung, dieAblehnung von Leitfiguren, trägt in sich die Konsequenz, dass die Anwesenden als Teil der pluralistischenBewegung, die gesamtgesellschaftliche Ziele verfolgt, nicht für die Bewegung als Ganzes sprechenkönnen. Präsenzdemokratie ohne Leitfiguren ermöglicht den Anwesenden den Fokus ihres Handelns selbstbe­stimmt zu lenken. Um trotz der schnellen Entwicklungen der Bewegung den nötigen Informationsbedarf zur Mitgestaltung zu decken, ist ein immenses Maß an Partizipation erforderlich. Die Bildung von weit mehr als hundert Arbeitsgruppen, die vorwiegend autonom agieren, ist Zeugnis des Bedürfnisses nach selbstbestimmtem Leben, Lernen und Arbeiten.  

 

Der immense Zeitaufwand den diese Organisationsform erfordert schließt viele Menschen von aktiver Partizipation aus. Nahezu alle aktiven Personen sind außerhalb der Bewegung zeitökonomischen Zwängen unterworfen und müssen die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme meist in den Arbeitsbereich ihrer Freizeit, Reproduktionsarbeit oder ihrer Lohn- bzw. Ausbildungsarbeit legen.  

 

Die politische Bewegung ist aus sich heraus ein Ort in dem die Beteiligten voneinander lernen. Hier kann antikapitalistisches Lernen Realität werden. Lernen heißt in diesem Kontext gemeinsam Wissen erarbeiten und kollektiv Ressourcen schaffen. Allerdings lässt sich auch dieses Wissen nur schwer gänzlich von markwirtschaftlichen Aneignungsinteressen isolieren. In ausgeprägter Kausalität steigern die AktivistInnen ihren Wert als Humankapital durch, im antikapitalistischen Feld, erworbenen „soft skills“. 

 

Ziel muss die Schaffung eines antisexistischen, antirassistischen und damit darüberhinaus herr*schaftsFREIen Raumes sein. Das in der Bewegung angeeignete Wissen wird vielfach nicht von akademischen, hegemonialen Diskursen bestimmt, sondern entspricht vorrangig selbstbestimmten libertären Interessen. Die Problematik bei der Annäherung an dieses Ziel ist der gemeinsame Umgang mit diskriminierenden Praxen. Dieser Umgang bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen Dogmatik und absolut notwendigen Grundsätzen als Voraussetzung jeglicher egalitärer politische Aktion. Die Deutungsmacht der jeweiligen Situation liegt bei unmittelbar Betroffenen und bei Anwesenden, ist häufig vom Grad der Politisierung oder der Betroffenheit abhängig und driftet deshalb weit auseinander.  Sich selbst als politisch-agierendes Subjekt zu begreifen darf sich nicht in theoretischen Auseinandersetzungen erschöp­fen.

 

Die eigene Rolle in gesellschaftlichen Verhältnissen und Strukturen nicht als naturgegeben, sondern als mitproduziert zu begreifen erfordert Möglichkeit, Willen und Arbeit zur Reflexion.  

 

Die eigenen Privilegien als Diebstahl begreifen:Wie ist deine soziale Situation, dass du diesen Text hier lesen (und verstehen) kannst ?

 

Die gesamte Universität muss in ihrer bisherigen Praxis blockiert werden,

damit die Besetzenden nicht weiter durch Arbeitszwang an der Universität im Bereich der Lohn- bzw. Bildungsarbeit und einer auto­nomen Bildungs- und Politikarbeit einer Doppelbelastung ausgesetzt sind.

 

Alle Lohnarbeitsverhältnisse müssen aufgekündigt und Orte der Lohnarbeit in solidar-ökonomische Strukturen transformiert werden, um die Trennungspolitik von Arbeit zu dekonstruieren.

Das bedingungslose, kollektiv vereinbarte Grund­einkommen für ALLE kann dazu als Übergangsinstrument dienen, um ausbeutungsfreie und selbstbe­stimmte Existenzen ALLER gewährleisten zu können. 

 

Bis dies nicht real geworden ist, muss dieses System angegriffen werden.  

 

Eine Form der Kampfansage kann die Verweigerung auf allen Ebenen sein.

 

Das bedeutet: Die Verweigerung, innerhalb der elitären Wissensfabrik Universität, als egoistisches Humankapital aktiv im Durchlauferhitzer des Kapitalismus für “gesellschaftlichen Fortschritt“ aktiv tätig zu sein;

Die Verweigerung heteronormative, patriarchale, rassis­tische, nationalistische, kapitalistische und alle anderen Unterdrückungsstrukturen aktiv zu praktizieren und damit zu reproduzieren;

Die Verweigerung infantilisierender, monoidentitärer Fremdzuschreibun­gen, egal ob persönlichen ( Student_in, Lehrer*innen, ArbeiterIn, Arbeitslose…) oder kollektiven Fremd­zuschreibungen (“Studentenprotesten“, “Chaoten“, “Linksextremisten“…).  

 

Verweigerung in allen Bereichen – sonst macht das Ganze keinen Sinn. 

 

academy of refusal*