Kommentar zu den Bildungsprotesten. Eine anarchistische Perspektive

Der Kampf gegen den Faschismus [Kapitalismus] beginnt mit dem Kampf gegen den Bolschewismus [Reformismus].
Otto Rühle
 

MAN soll nicht in Kirchen[Universitäten] gehn, wenn MAN reine Luft atmen will.
Friedrich Nitsche

School has become the world religion of a modernized proletariat, and masks futile promises of salvation of the poor of the technological age[…]learning and the assignment of social roles are melted into schooling.
Ivan Illich

Im Zuge der internationalen Bildungsproteste im Wintersemester 2009 besetz(t)en Studenten an verschiedenen Orten ihre Unis. Die Forderungen sind sehr breit gefächert und reichen von strukturellen Verbesserungen bis zu „Freier Bildung“. Diese Forderungen sind – abgesehen davon, dass Forderungen Zeichen der Unterwerfung sind – absolut reaktionär.

Die Forderung nach „freier Bildung“ ist absurd, solange wir das kapitalistische Wirtschaftssystem an sich nicht angreifen und in Frage stellen. Freie Bildung bedeutet in diesem Kontext nichts anderes als freier Wettbewerb und totale Konkurrenz. Die Neoliberalisten heißen die Forderungen willkommen. Im schlimmsten Fall denken sie: Je mehr Humankapital zur Auswahl umso niedriger der Preis, den sie dafür bezahlen. Aber abgesehen von den Gehältern oder Löhnen bedeutet Bildung, ob sie nun frei ist oder nicht: Reproduktion von Arbeitskraft. Humankapital für den technologischen Fortschritt und das Wirtschaftswachstum. Kurz die notwendige Reproduktion der fortwährenden Produktion.

Solange die gesamtgesellschaftliche Struktur von Macht nicht in Frage gestellt wird und solange die kapitalistische Verwertungslogik und dessen Zirkulationsmonopol nicht in Frage gestellt wird, solange wird Bildung dem Zweck der Ökonomie und dessen Reproduktion durch technologischen Fortschritt unterworfen sein. Solange werden Bildungseinrichtungen Re-Produktionsstätten von frischem, zur Verwertung freigegebenem Humankapital sein.

Ein anderer Punkt im Forderungskatalog der unibrennt-Bewegung ist neben freier Bildung, Antidiskriminierung. Abgesehen davon, dass Antidiskriminierung nicht forderbar ist, können Rassismus, Homophobismus und alle anderen Ismen nicht durch Gesetze oder Rechte garantiert werden. Vor allem nicht, wenn die restliche Gesellschaft voll von diesen ist, und erst recht nicht wenn diese durch Instituionen (vgl. Staat: Asylrecht) legitimiert sind. Außerdem ist das Konzept des Gesetzes ohnehin fragwürdig, sowie auch das des Rechts. Diese Konzepte beruhen auf der stillschweigenden Bejahung von struktureller Gewalt, sprich institutioneller Macht, wie zum Beispiel dem Staat.

Die Inszenierung der Verdinglichung zum Spektakel innerhalb des modernen Kapitalismus zwingt jedem eine Rolle in der generalisierten Passivität auf. Der Student entgeht diesem Gesetz nicht. Es ist eine provisorische Rolle, die ihn auf die endgültige vorbereitet, die er als positives und bewahrendes Element im Warensystem erfüllen wird. Nichts anderes als ein Einführungsritus.
Situationistische Internationale, Über das Elend im Studentenmilieu