Plätze und Räume

Plätze

Die Welt wurde vollständig in Besitz genommen. Jedes Fleckchen Erde ist jemandem zugeteilt, seien es Privatpersonen oder Konstrukte wie Staaten. Es wird geregelt, wer ausdem Boden Nutzen ziehen darf, aber auch wem es erlaubt ist, ihn einfach nur zu betreten und sich dort aufzuhalten.

Wir können keinen Meter mehr gehen,ohne den Herrschaftsbereich eines anderen zu betreten. Früher gab es Niemandsland, die Gsteppn vor der Stadt, in der man ungesehen war, indie man sich zurückziehen konnte. Die Wildernis, in der man der Zivilisation entkommen konnte, die Aulandschaft, in der man seine Zelte aufschlagen konnte, oder sich eine Hütte bauen. Es gibt diese nicht mehr, und es gibt keinen Ersatz.

Wir finden uns wieder in einer Welt der Konsumräume. Sozialer Anschluss kann in vielen Fällen nur mehr durch gemeinsamen Konsum, und mit der Möglichkeit zu zahlen, stattfinden. Es gibt keineTreffpunkte, wo es uns frei steht, nicht zu konsumieren.

Der achso freie Markt lässt uns nur die Freiheit was und wo wir konsumieren, nicht ob wir konsumieren oder lieber etwas anderes tun. Wir haben das kapitalistische System,das sich die Freiheit auf die Fahnen schreibt, nicht gewählt undeine Wahl wird uns auch als sogenannten mündigen Menschen nichtgelassen. Da es keinen Platz gibt, an dem das System nicht herrscht, haben wir keine Zufluchtsorte. Sich aus dem System herausnehmen -"aussteigen", wird praktisch unmöglich, auch als Einsiedler in unbenützten Gebieten, denn jedes Stückchen Landgehört jemandem. Wenn wir uns Räume inmitten der Gemeinschaft, inmitten der Stadt nehmen, müssen wir ihre Grenzen unablässlich verteidigen.

Indem alle Räume Zwecken zugeordnetsind, sind sie voller Zwänge. Diese Zwecke werden von reichen  Privatpersonen, Unternehmen und politischen Machtcliquen bestimmt. Wenn wir uns Räume nehmen, befreien wir sie, weil wir ihre Zweckeund ihren Nutzen offen lassen, statt sie zu bestimmen. Mit dem freienRaum wird im Sinne derer verfahren, die sich im Moment in ihmaufhalten. Da der Raum wandelbar ist, birgt er alle Möglichkeiten in sich. 

Wir befreien Räume. Wir schaffen freie Räume. Freie Räume werden zum Raum für Dinge, die in der Gesellschaft sonst keinen Platz finden. Das dringendste unbefriedigte Bedürfnis wird in einem freien Raum als erstes befriedigt.

In unserem konkreten Fall ist es das Bedürfnis nach politischem Diskurs, Austausch und nach visionärem Experimentieren mit Strukturen und Organisationsformen.

Außerdem besteht das physischeBedürfnis nach Wärme und Trockenheit. Solange in unserer Gesellschaft des Überflusses Menschen ohne Dach über dem Kopf leben müssen, kann ein Freiraum nur dazu dienen, ihnen Raum zu geben, dennsie haben das dringendste Bedürfnis.

Bevor nicht alle körperlichen Bedürfnisse aller gedeckt sind, kann kein politischer Diskurs entstehen, der alle mit einbezieht. Demokratie ohne Diskurs bleibt eine Farce.

Räume

Die Architektur macht den Raum. Alle Räume sind Zwecken untergeordnet, die wir nicht gut heißen. DieRäume in denen wir lernen sollen, sind die Manifestation eines Systems, in dem Freiheit in Begriff ist, der nur in der Verbindungmit dem Markt eine Rolle spielt: In den großen Hörsälen kann allein gemäß der räumlichen Aufteilung kein Diskurs stattfinden. Die Sitzbankreihen sind starr auf das erhöhte Katheder ausgerichtet. Sie lassen kein Plaudern, kein Rufen, Essen oder Schlafen zu.

Stattdessen brauchen wir:

  • Wände als Kommunikationsmittel, nicht zu Werbezwecken. Es muss allen Menschen erlaubt sein, ihre Meinung durch Zettel, Flyer, Poster, Sticker zu bekunden und mit Spraydose, Edding und Bleistift die Meinung der anderen zu kommentieren. Diese Kommunikation wird niemals ungültig. Was nicht passt wird überklebt, niemals heruntergerissen. So werden die Wände zentnerschweren Diskurs tragen.

  • Gänge, auf denen man sitzen kann, ohne die Fluchtwege zu blockieren 

  • Nischen für private Gespräche und runde Amphietheater, in denen die Leisesten von ihrem Platz aus gehört werden und Jede, die spricht, nicht nur gehört, sondern auch gesehen wird.

  • Treffpunkte

  • Und vor allem: wandelbare Räume, keine starren. Wir nehmen nicht für uns in Anspruch alle Zwecke zu kennen, mit denen die Menschen, die die freien Räume benützen wollen, sie belegen werden. Daher müssen unsere Räume Platz für Veränderung lassen. Sie müssen an einem Tag eine Bühne sein können und am nächsten Tag kleinen Arbeitsgruppen Raum geben. Wir wollen Trennwände hin und her schieben können, Sitzkissen werfen, Bühnenmodule wie Bausteine stapeln, aus Sesseln Pyramiden bauen und wieder umwerfen.